www.albrecht-reuss.de | Stand: 08.12.2008 | Impressum
Es gibt die urkomischsten Dinge im Leben. Unglaubliche
Geschehnisse, die einen zu Boden fallen lassen und nicht mehr atmen vor
Lachen. Ereignisse, die nicht die Welt verändern, aber ein kleines
Studentenleben, weil sie derart unfaßbar, derart lustig, derart zwerchfellzerreißend
sind, daß – ach, man möge selber nachlesen, denn heute war wieder
ein solcher Tag.
Pünktlich um neun Uhr begann mein Tag mit den Nachrichten
auf WDR 2, und während jeder zweite Student sich wegdreht und unter
der Decke verkriecht und die andere Hälfte der Studenten den Wecker
aus dem Fenster wirft, lag ich einfach nur da und informierte mich über
die neuesten Ereignisse. Doch damit nicht genug. Danach stand ich auf.
Ich zupfte den Schlafanzug zurecht, zog die Gardinen
zurück, und es war mir, als sei dies ein Tag wie jeder andere, denn
er konnte sich noch nicht zwischen Regen und Sonne entscheiden. Ich fand
das so witzig, daß ich sogleich beschloß, es am Abend aufzuschreiben,
und ging in mein kleines Plastikbad, um mich zu waschen.
Das Kalt kam wieder etwas kräftiger als nach dem
Wasserrohrbruch, so daß ich mich wunderbar erfrischend waschen, ja
laben konnte, mich frisch rasierte und zufrieden in meine Kleider stieg.
Davor jedoch, und das lese man mit größter Beachtung, tupfte
ich mir etwas Axe ins Gesicht, was absolut die erwünschte Wirkung
hatte: es erfrischte.
Schnell das Fenster geöffnet, die Tür aufgeschlossen,
die Zeitung geholt, das Teewasser aufgesetzt, der Frühstückstisch
gerichtet – welch Ereignisse an diesem frühen Morgen!
Dann passierte etwas, daß nicht mit Statistik,
auch nicht mit Erfahrung, nicht einmal wissenschaftlich-theoretisch zu
erklären war. Es geschah einfach, und ich ließ es geschehen,
ich hinderte mich nicht daran, es zu tun, sondern ließ meinen Körper
tun, was er tun wollte, was nützt auch Willen oder Trotz, wenn das
Schicksal einen Plan verfolgt. Kurz: Ich schmierte mir ein Brot. Erst Butter.
Dann Marmelade drauf.
Der Tee schmeckte einmal mehr nach Vanille statt nach
Ostfriesenmischung, was daran gelegen haben mochte, daß ich zuvor
Vanilletee in das Sieb gefüllt hatte.
Die Zeitung bestätigte die Radiomeldungen, der Sportteil
fiel wunderbar üppig aus, das zweite Brot war mit Nutella, das Spülwasser
wieder etwas lau, das Bad sah mich auch nochmal, und dann war auch schon
wieder Packen angesagt – denn auch an diesem Tag hüpften die richtigen
Bücher nicht von alleine in den Kinderkirchrucksack, der mal weiß
gewesen war und bei jedem Besuch zu Hause von meiner Mutter wieder weiß
gewaschen wird.
Doch mein Leben wäre ein langweiliges, fände
es nur zwischen Zimmerpalme und Plastikklo statt. Nein! Das wäre was
für kommende Beamten! Ich hingegen forderte auch diesmal das Leben
heraus, ging mutig die Treppe zum Keller hinab, ohne zu stolpern und mich
zu verletzen und den Blutungen zu erliegen, riß mir auch kein Band,
als ich den Schlüssel zum Fahrradraum zweimal drehte, schwang mich
schließlich aufs Rad, stürzte mich kopfüber in den Verkehr
und kam wenig später an der Uni an, nachdem ich die tägliche
Steigung zwar widerwillig, so doch zielsicher genommen hatte.
Verkehrsplanung II, danach Bodenordnung II.
Spätestens in der Mensa war mir klar, daß
dies ein unvergeßlicher Tag werden würde, bekam ich doch einen
besonders großen Klecks Sauerkraut aufs Tablett – ich hatte das Tagesessen
für 2,30 DM genommen – und war forthin damit beschäftigt, die
richtige Menge Kartoffelbrei mit der richtigen Menge Wurst und Kraut zu
mischen, damit am Ende alles gleichmäßig aufgegessen war. Unglaublich,
nicht wahr?
Der geneigte Leser denkt nun womöglich, na klar,
jetzt rutscht er auf dem angeblich seit Jahrzehnten jeden Tag aufs neue
frisch gebohnerten Parkett aus, sobald er die Treppe betritt, erlebt ein
Fiasko, eine Verkettung unglücklicher, aber unvergeßlich komischer
Zufälle und wird weltberühmt. Nein, besser: Ich ging die Treppen
hinunter, ging zur Tür hinaus, bestieg mein Fahrrad und fuhr nach
Hause zurück.
Doch was war das! Ich hatte doch tatsächlich vergessen,
auf dem Rückweg am Supermarkt zu halten und Milch und Brot zu kaufen!
Die Katastrophe war vorprogrammiert, hätte nicht im selben Augenblick
mein manchmal langsames, manchmal aber auch helles Köpfchen haargenau
das richtige getan und mich auf die Uhr schauen lassen, so daß ich
augenblicklich feststellte, ja, das Leben hatte es doch noch gut mir gemeint,
daß es erst 14.30 Uhr war.
So konnte ich noch zum Edeka fahren, Milch und Brot kaufen,
abends den Kicker lesen, zu Abend essen und ein paar Satiren schreiben.
Mensch, selbst das Schreiben erschöpft!
Was für ein Tag.