www.albrecht-reuss.de | Stand: 08.12.2008 | Impressum

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Computerkauf

Mit dem Computer ist es so eine Sache: Jeder hat einen, jeder weiß so ungefähr, welches Vorgehen welche Reaktion hervorruft, aber es gibt immer welche, die haben eine Spur mehr Ahnung. Und schon wer nur eine Spur mehr Ahnung hat als ein anderer, der bewirft diesen gnadenlos mit einer Fülle von unaussprechbaren englischen Abkürzungen, bis der völlig verzweifelt seinen gesamten Computer viel zu billig verscherbelt. Und darin steckt auch schon das Grundproblem in der deutschen Computerkultur: die meiste Ahnung haben die Computerhändler.
Die Computerhändler lassen sich in zwei Sparten einteilen. Die einen verkaufen teure Computer mit klangvollen Namen, die nicht funktionieren, und die anderen bringen billiges Zeug an den Mann, daß sie in irgendeinem Laster an der holländischen Grenze gefunden haben, das dann hinterher ebensowenig funktioniert. Beide haben gemein, daß sie gewöhnlich kein Wort reden, nur manchmal, auf mehrfaches Fragen und Stochern, murmeln sie eine dieser englischen Abkürzungen, die die Abkürzungen für andere englische Abkürzungen sind, die die Bezeichnungen für englische Systemkomponenten sind, unter denen man sich zwar nichts vorstellen kann, ohne die aber auch nichts läuft.
Wir haben hier in der Nähe einen Computerladen der zweiten Sparte, Groß-Hand heißt er und hat die günstigsten Angebote weit und breit. Nachdem ich meinen alten Computer viel zu billig an einen guten Kumpel verkauft hatte, der eine Spur mehr Ahnung hat als ich, nahm ich eine der Groß-Hand-Preislisten, die hier täglich drei Mal in den Briefkasten geworfen werden, suchte mir die günstigsten der günstigen Komponenten aus, kreuzte sie an, ging zum Laden und fragte fünf Mal, ob der Rechner so laufe.
Der Händler, blonde Strubbelhaare, Dreitagebart, Raucherfahne und verschlafene Augen, murmelt daraufhin (was ihn sichtlich Überwindung kostet): „Müßte schon.“
Ich bin erleichtert, bestelle, und kann nur wenige Tage später einen neuen Rechner bei mir aufstellen, den ich nirgendwo noch billiger hätte kriegen können, schalte ihn mit triumphaler Gestik an – er piept, er knattert, er surrt, doch der Monitor bleibt schwarz.
Doch kein Drama. Schließlich wimmelt es im Wohnheim an Computerspezialisten, die sich bei diesen Anlässen darin messen können, wer eine Spur mehr Ahnung hat. Also drängelten sich innerhalb kürzester Zeit in meinem kleinen Zimmer alle möglichen Fachmänner, die  abwechselnd Disketten rein- und rausschoben, Kabel überprüften, geheime Tastenkombinationen anwandten und mit englischen Abkürzungen um sich warfen. Der Monitor blieb – schwarz.
Und das Surren verstummte. Und das Lichtchen ging aus.
Nichts half. Ich mußte nochmal zu Groß-Hand und nachfragen. Ich sagte fünf Mal: „Mein Rechner läuft nicht.“
Und der Händler murmelte: „Und?“
Ich sagte fünf mal: „Können Sie vielleicht mal nachschauen...?“
Wortlos nahm er den Kasten entgegen und verschwand. Ich ging nach Hause und am nächsten Tag wieder hin.
Diesmal sagte ich fünf Mal: „Und?“
Er murmelte: „Geht.“
Dann streckte er mir eine Service-Rechnung über 50 Mark entgegen. Ich zahlte.
Und der Monitor blieb schwarz.
So ging ich noch verschiedene Male zu Groß-Hand und sagte verschiedene Male fünf Mal: „Er tut nicht“, und ließ mir für jeweils 10 Mark kurze, prägnante, gemurmelte Tips geben – etwa „Kabel“ oder „Einschalten“ oder „Strom.“
Doch das Wohnheim knobelte weiter, denn der Monitor blieb schwarz.
Schließlich ließ ich für schlappe 500 Mark den Vor-Ort-Service von Groß-Hand kommen. Der knobelte ebenso, schloß dann einen anderen Monitor an, knobelte weiter, und geriet dann derart in Rage, daß er vergaß, nach einem Wort den Mund wieder zuzumachen. Er sagte: „Ja, wie können sie auch den 7-456.345.278-Sledge_Beta_Beta_Zero_S3V72_XX-XL-UU1_a als Treiber für die zweite-von-rechts Monitortaste nehmen!? Dazu brauchen sie doch den 7-456.345.278-Sledge_Beta_Beta_Zero_S3V72_XX-XL-UU1_b! Das weiß doch wirklich jeder!“
Verschämt frage ich, ob man da was machen könne, und er sagte: „Nee, da brauchen Sie gleich einen neuen Rechner.“
Ich zweifelte das an, aber was soll man machen, also kaufte ich einen neuen Rechner, denn die sind ja günstig bei Groß-Hand, und – ich kann wirklich nichts Schlechtes sagen – mein zweiter Rechner lief auf Anhieb.
Dumm war nur, daß mir mein Kumpel erklären wollte, warum nun mein erster Rechner nicht gelaufen war. Er warf so lange mit englischen Abkürzungen um sich, bis ich völlig verzweifelt mit dem Kopf gegen die Wand rannte und ihm meinen neuen Rechner wenige Tage später für einen Spottpreis verkaufte.