www.albrecht-reuss.de | Stand: 08.12.2008 | Impressum
In Kleinstädtchen wie Blaubeuren, wo das Ehrenamt
noch Ehre bringt, ist einer der beliebtesten Ehrenjobs einer bei der Freiwilligen
Feuerwehr. Nur bliebt der Traum vom großen Feuer meist ein Traum.
Micha heißt der Mann, der fürs Freizeitheim
Himmelreich zuständig ist, einem außerhalb der Stadt gelegenen
Freizeitheim. Eine dort ansäßige Gruppe brachte das Kunststück
fertig, die Ölwanne eines Fahrzeugs aufzureißen, und mit dem
Riß in der Wanne einen Kreis um die Feuerstelle zu ziehen und dann
zum Eingang hinüber. Zurück auf der Heide blieb eine Ölspur.
Also wurde Micha vom Essen weggeholt – ein Notfall. Als
Micha im Freizeitheim eintraf, hatte die Freizeitgruppe bereits Ölbinder
auf die Spur gestreut, weiter wußte sie allerdings nicht. Micha auch
nicht, also wollte er bei der Feuerwehr nachfragen und wählte, weil
er nichts anderes wußte, die berühmte 112.
„Polizeidirektion Ehingen“, meldete sich eine Stimme.
„Wie bitte!?“
„Polizeidirektion Ehingen. Warum?“
„Ich wollte die Feuerwehr und habe 112 gewählt.
War das falsch?“
„Nein, nein. Aber sie landen immer bei uns. Was ist denn
passiert?“
Also schilderte Micha das kleine Malheur.
„Keine Panik,“ tröstete der treue Beamten den seelenruhig
telefonierenden Micha. „Wir schicken jemanden vorbei. Verlassen Sie auf
keinen Fall den Tatort!“
Micha verließ auf keinen Fall den Tatort und wartete.
Bald mußte ein Auto kommen mit einem Experten, der sagte, wie mit
der Spur umzugehen war.
Bald kam überhaupt niemand.
Und nach 35 Minuten kam kein Auto, sondern ein Mannschaftswagen
und ein Löschzug jagten mit Blaulicht die Steige hoch und am Freizeitheim
vorbei. Sieben Minuten später jagten der Mannschaftswagen und der
Löschzug mit Blaulicht den schmalen Weg zum Freizeitheim hinauf, in
den Gesichtern der elf Mann starken Crew lechzte die Gier nach Feuer.
Micha empfing sie gelassen lächelnd. Einer kurbelte
hektisch das Fenster hinunter und schrie nur: „Wo?“
„Ja, hier,“ antwortete Micha und wies auf den Boden.
„Wo?“, wiederholte der Feuerwehrmann.
„Hier, gleich auf dem Boden,“ wiederholte Micha.
Darauf riß der Feuerwehrmann die Türe seines
Wagens auf, sprang heraus, und schrie Micha ins Gesicht: „Gehen Sie zurück,
meine Damen und Herren, gehen Sie zurück! Es gibt überhaupt nichts
zu sehen!“ Dann bückte er sich zu der Ölspur, tippte mit dem
Finger hinein, schnupperte dann mit der Nase am Finger und diagnostizierte
triumphierend: „Öl!“
Dann zog er seine Kameraden zur Beratung heran.
„Was machen wir jetzt?“
„Ha, wir tun Ölbinder drüber!“
„Gut! Aber beeilt euch! Ihr wißt: Jede Sekunde
zählt!“
Dann fuhr er wieder Micha an: „Haben Sie die Ölspur
in irgendeiner Weise berührt oder behindert?“
„Ich glaube, die Gruppe hat schon einen Binder drauf
getan.“
„Was?“, kreischte der Feuerwehrmann fassungslos. „Welchen
denn?“
„Ich glaube, den körnigen.“
„Gut. Dann nehmen wir den pulvrigen.“
Und dann begannen zehn Feuerwehrmänner unter dem
Kommando des Kommandanten, pulvrigen Ölbinder über die Ölspur
zu streuen und anschließend die Heide abzukehren. Denn in den Kursen
hatten sie gelernt, daß nach dem Einsatz des Ölbinders die Straße
abgekehrt werden muß.
Nach verrichteter Arbeit setzten sich die enttäuschten
Feuerwehrmänner, denen kein Feuer vergönnt war, wieder in den
Wagen und brausten mit voller Einsatzgeschwindigkeit ins Wirtshaus.
Noch am selben Tag kaufte sich Micha fünf Feuerlöscher
für sein Zuhause.