www.albrecht-reuss.de | Stand: 08.12.2008 | Impressum
Sollte es werden. Hat aber nicht geklappt, weil mir auch
am 939. Tag meiner Schreibtätigkeit nicht dieser eine, ultimativ geniale,
noch nie dagewesene Blitzgedanke gekommen ist, der sich von ganz alleine
aufs Papier zaubert und einem Millionen einbringt, kreischende Fans und
das Geld, diesen auf eine einsame Insel zu entfliehen.
Im Gegenteil. Meine Satiren-Abo-Kunden rufen schon an
und beschweren sich, weil ich einen Monat im Verzug bin, es passiert einfach
nichts Lustiges, nur Klausuren, Abschiedsschmerz, Sprachprobleme, aber
über das alles habe ich vor einem Jahr schon geschrieben.
Andere Satiriker kommen auch in diese Phasen, und dann
schreiben sie darüber, wie schwer es ist, eine Satire zu schreiben,
so wie ich jetzt, oder sie schreiben ab. Das kann ich auch.
Ich blättere also in meinem Notizbüchlein,
in dem ich mir witzige Gedanken notiere, um später eine Satire draus
zu machen. Ich habe es noch nie verwendet. Außer nun. Ich schlage
die erste Seite auf. Da steht: „Hund – Leine – rennt – Baum“. Aha, denke
ich, witzig. Wie soll daraus eine Satire werden? Wer rennt gegen welchen
Baum wegen welcher Leine? Außerdem habe ich gar keinen Hund. Ich
muß also anders an eine Lösung kommen, während mein Verleger
mir schon im Nacken sitzt.
Dieser Abschnitt ist übrigens Ephraim Kishon abgeguckt.
Ich müßte auch was drüber schreiben,
wie ich in der Verzweiflung einen Kaffee nach dem anderen in mich reinhaue,
bis ich drei Tage nicht mehr schlafen kann, aber auch nicht mehr schreiben,
weil ich vor lauter Zittern die Tasten des Computers nicht mehr treffe.
Aber ich mag keinen Kaffee, sondern nur Tee, und der macht weder wach noch
zitternd, man muß nur dauernd aufs Klo.
Doch, bei Maxx hat damals auch Tee geholfen, nachdem
er zum Frühstück zwei Tassen getrunken hatte, dann in Geschichte
beim gemeinsamen Frühstück vier, dann in der Hohlstunde nach
Geschichte zum zweiten Frühstück drei, und dann kam er in Bildende
Kunst und brachte keinen geraden Strich aufs Papier.
Lustig, gell? Aber keine Satire.
Ich beschließe, den entscheidenden Einfall am 940.
Tag meines Werkens zu bekommen. Es ist immer gut, Probleme aufzuschieben.
Daher schlafe ich beruhigt und geborgen ein. Man soll von diesen Verdrängungseffekten
ja Magengeschwüre kriegen. Aber drei Wochen ohne Schlaf sind sicher
auch nicht gesünder.
Beim Aufwachen fällt mir als erstes ein, daß
ich allein bin. Das ist nicht außergewöhnlich, wenn man alleine
wohnt. Trotzdem fällt es mir jeden Morgen von neuem auf. Kein Mensch
da zum guten Morgen sagen. Niemand kümmert es, ob ich aufstehe oder
nicht. Deshalb lasse ich mich nochmal genüßlich in die Kissen
fallen.
Nach drei weiteren Versuchen und drei weiteren Erkenntnissen
der Form „Ich bin allein!“ stehe ich um 11.30 Uhr wirklich auf und mache
das Radio an. Das redet wenigstens mit mir. Allerdings geht er wenig auf
meine persönlichen Probleme ein, und auf mein fröhliches „Guten
Morgen!“ sagt es nur: „...und 3 km stockender Verkehr zwischen der Anschlußstelle
Mühlheim-Ruhr und dem Autobahnkreuz Oberhausen“.
Ich mache Frühstück und stelle es lieblos auf
den Tisch, da es außer mir ja eh niemand sieht. Das Telefon klingelt
und ich habe angst, daß, wenn ich nun den Mund aufmache zum Reden,
nichts herauskommt. Woher soll man es auch wissen, wenn man erst an der
Uni einen Ton sagt, und an der Uni ist man im dritten Semester ja bekanntlich
nur zum Abendessen. Deshalb auch immer der Versuch, sich mit dem Radio
zu unterhalten. Inzwischen bin ich schon so weit, daß ich ihn pünktlich
zu den Nachrichten frage, wieviel Uhr es ist, damit ich wenigstens da eine
passende Antwort bekomme.
Ach ja, das Telefon war nicht für mich. Es war Humphreys
Mutter, die nur Englisch kann, wissen wollte, wo ihr Sohn war und warum
ich am Telefon war und nicht er. Vielleicht denkt sie jetzt, ich bin sein
Verhältnis. Die Arme.
Eine Single-Haushalt-Satire, das ist es!
Ich würde schreiben, wie ich jeden Tag später
aufstehe und jeden Tag früher ins Bett gehe, bis ich mich eines Tages
selbst überrunde und früher wieder ins Bett gehe als ich aufstehe.
Ha! Ist das nicht urkomisch! Zumindest vier Zeilen lang.
Auf dem Weg zur Uni aber hatte ich es raus. Denn da sah
ich den Ober-super-mega-typischen 0/8/15-Ruhrpöttler schlechthin.
Hält mit seinem fetten Daimler, S-Klasse, blau-metallic, halb auf
dem Gehweg im Halteverbot, läßt den Motor laufen, holt sich
am Kiosk, bekleidet mit Strickpullover, Anzugshose und Badeschlappen, eine
Bild, wirft seine brennende Zigarette auf den Boden, setzt sich hinters
Steuer und braust mit 80 Sachen durch die 30-Zone.
Den hab ich wirklich gesehen! Nur leider ist es kein
Prototyp-Ruhrpöttler gewesen, denn der hat einen Schnauzer, eine dicke
Rundbrille, kurze schwarze Stehhaare, Frau und Familie und keinen Daimler,
weil er sich den nicht leisten kann, sondern nur einen Golf Variant und
für die Frau einen Ford Fiesta in grün-metallic, aber grün
nur, damit es etwas besonderes ist, denn er wählt natürlich SPD.
Weil grün-metallic tritt ja auch nicht an.
Liest sich auch ganz nett, hat aber genau so wenig roten
Faden wie das ganze hier.
Ich bin auf dem Weg zur Uni, nicht wahr? Da sollte ich
auch noch Klausur schreiben, mitten in den Semesterferien, also am Tag,
bevor das Semester anging.
Und wie ich da so spazieren laufe, um meine Nervosität
abzubauen und das Zittern in den Knien aufs Laufen statt auf die Aufregung
zu schieben, denke ich, daß man über den ständigen Wahn
vor Prüfungen, über Versagensangst und Schweißausbrüche
sicher gut was schreiben könnte. Aber für eine Satire ist es
eigentlich zu ernst.
Nachdem der Instruktor eine Dreiviertelstunde Instruktionen
gegeben hat und die armen Studenten eine halbe Stunde lang Stühlerücken
spielen hat lassen, weil es keine Kombination gab, in der immer zwei Sitzplätze
zwischendrin frei waren, geht es los mit schreiben, und ich denke nur an
meine Satiren. Dieses Stühlerücken gehört doch aufgezeichnet.
Außerdem die faszinierende Fragestellung des Herrn Professors nach
folgendem Stil:
Sie sollen für eine Familie mit drei Kindern und
einem Hund ein Grundstück für ein Einfamilienhaus suchen, doch
auf dem favorisierten Bauplatz steht derzeit ein Stadion, dessen Rasen
im Landschaftsplan als besondere Schutzfläche eingezeichnet ist. Beschreiben
sie, welche rechtlichen Möglichkeiten die Familie hat, trotzdem auf
die Rasenheizung im Wintergarten zu verzichten und wie sich das auf den
Bundesverkehrswegeplan auswirken würde.
So was muß doch an die Öffentlichkeit! So
sinniere ich und grübele und denke nach, aber weder fällt mir
ein, wie ich das in eine Satire packen könnte, noch tu ich irgendwas
für diese merkwürdige Klausur, bis ich abgeben muß und
nichts geschrieben habe. Aber vielleicht fällt mir beim Nachschreiben
wenigstens eine Satire ein.
Das war natürlich alles gelogen.
Auf dem Nachhauseweg über den Acker (das ist keine
Redewendung, auch wenn es mir niemand glauben mag – mein Bruder wollte
es ja auch nicht glauben, bis er eines Nachts, als er das erste mal in
Dortmund war, bis zu den Knöcheln im Schlamm steckte) denke ich wieder
befreiter an Satiren als während der Klausur. Aber all die kleinen
Ideen, die ich hervorkramen kann, reichen nicht aus. Außer, man packt
sie alle zusammen und macht eine Geschichte ohne viel Sinn daraus.
Vielleicht mache ich es so, denke ich, und dann denke
ich noch, daß ich dann aber auch noch so eine Art Lieblingsgag einbauen
möchte, wenn das ganze schon keinen Sinn macht. Der Lieblingsgag ist
zwar auch nicht neu, aber trotzdem suuuperlustig irgendwie, vorausgesetzt
man redet nicht zu lange davor drumrum, um ihn irgendwie einzuleiten. Also,
um es einfach zu machen, dieser Lieblingsgag funktioniert so, daß
man den ganzen Schlonz einfach mitten im Wort aufhört und nichts,
aber auch gar nichts mehr nachko