www.albrecht-reuss.de | Stand: 03.01.2014 | Impressum

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Die Elternbeirätin

Sehr geehrte Frau Lehrerin,

sicher haben Sie Verständnis dafür, dass moderne Eltern das Heil Ihrer Kinder nicht einfach nur der Schule – und damit Menschen wie Ihnen – überlassen können, sondern selbst aktiv gestaltend am Leben Ihres Nachwuchses und dessen Gelingen teilhaben wollen.
Als mir beim Durchwühlen der Schultasche von Jaqueline wie zufällig Ihr Mathe-Arbeitsblatt in die Hände fiel, war ich daher völlig geschockt. Ich will an dieser Stelle nicht darauf herumhacken, dass Sie meiner Tochter ohne jede Vorabstimmung mit mir einfach Blätter zustecken, obwohl ich das eine rechte Unverschämtheit finde, wo wir den Kindern doch stets beibringen, nichts von Fremden anzunehmen, und wir lernen uns ja erst beim nächsten Elternabend kennen. Jedenfalls, um den Faden wieder aufzunehmen, dieses Arbeitsblatt ist eine einzige Katastrophe.
Jaqueline behauptet zwar, alles verstanden zu haben, aber sie hat ja schließlich auch Ihren Unterricht besucht. Wie aber bitteschön sollen wir Eltern, Nachhilfelehrer, Großeltern, Tagesmütter... diese Aufgaben verstehen, wo wir doch den ganzen Tag hart arbeiten, um unsere Familie zu versorgen! Wie sollen wir dann unserem Nachwuchs angemessen bei dessen Hausaufgaben helfen, ihn kontrollieren und fördern und kontrollieren und, ja, nennen wir die Dinge beim Wort, adäquat und optimal auf die nächste Klassenarbeit vorbereiten! Schließlich leben wir in einer Welt, in der eine durchschnittliche Note in Mathematik in Klasse 6 durchaus als schwarzer Fleck im Lebenslauf wahrgenommen werden kann!
Und denken Sie nicht, ich sei die einizige Mutter, die sich Sorgen um ihre Tochter macht. Den ganzen Nachmittag hat bei mir das Telefon geklingelt. Nur Frau Müller-Weihrauch und Frau Quengele habe ich nicht erreicht. Obwohl ich um einen Rückruf gebeten hatte.
So sehe ich es als meine Pflicht als künftige Elternbeirätin an, Sie bei allem Respekt auf die Missstimmung aufmerksam zu machen, die Sie auslösen!
Aber um auf das Arbeitsblatt zurückzukommen: Sie empfehlen meiner Tochter ausdrücklich und allen Ernstes, den Stoff der fünften Klasse zu wiederholen und benennen hierbei unter anderem Flächeninhalte. Flächeninhalte! Dafür brauche ich locker eine Woche, um mich in dieses komplexe Thema wieder einzudenken. Und Sie setzen das einfach so voraus, obwohl Jaqueline doch nun eindeutig und erwiesenermaßen in der sechsten Klasse ist und nicht in der fünften. Flächeninhalte! Stundenlang saß ich am Küchentisch, um mir überhaupt einmal zu überlegen, was das denn eigentlich sein könnte. Meine Tochter hat versucht, es mir zu erklären, aber ich habe es auch nach drei Stunden noch nicht verstanden. Da sehen Sie mal, wie sehr Sie unsere Kinder überfordern!
Und überhaupt: Flächeninhalte! So was Technokratisches! Haben Sie noch nie daran gedacht, unseren Kindern einmal etwas Lebensnahes, Positives, ja vielleicht Romantisches beizubringen? Warum nicht mal Gedichte oder Poesie oder Märchen? Müssen es denn immer gleich Zahlen sein? Bitte fühlen Sie sich nicht angegriffen. Denken Sie einfach mal drüber nach. Es sind gut gemeinte Tipps einer lebenserfahrenen jungen Mutter.
Jaqueline jedenfalls wird die Bearbeitung des Arbeitsblattes verweigern. Ich habe ihre Lösungen bereits aus dem Schulranzen entfernt und der Entsorgung mittels Holzofen zugeführt. Wenn Sie unserer Tochter deshalb eine schlechte Note, also keine eins, geben, behalten mein Mann – nicht wahr, Schatzi? – und ich uns den Rechtsweg vor.

Mit freundlichen Grüßen
Adele Meinrath
Elternbeirätinnenkandidatin

P.S: Auch unter Ihrem Brief könnte ein Satz stehen. Dies ist jedoch nur ein Beispieltext. Bitte editieren Sie diesen Text oder entfernen ihn. Weitere Formbriefe finden Sie unter www.elternbeiraetin.de