www.albrecht-reuss.de | Stand: 08.12.2008 | Impressum

   zurück   

Freunde und Helfer

Die folgende Geschichte lassen wir Micha spielen, obwohl sie auf seinen Kollegen zurückgeht, aber Micha kennt man schon, und ihm hätte das sicher genauso passieren können. Vor dem Gesetz sind alle gleich, insbesondere, wenn es sich StVO abkürzt.
Angefangen hat es – wie so vieles in Blaubeuren – mit einer Baustelle. Diese fand vor dem Büro Michas statt, was zur Folge hatte, daß die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gemeindehauses nicht mehr auf ihren eigenen Parkplatz durften, sondern die Tiefgarage unter der ehemaligen Brauerei und heutigen Altenwohnanlage (kein Zusammenhang) benutzen sollten. Micha benutzte sie und fand prompt, als er nach der Arbeit nach Hause fahren wollte, einen Strafzettel über 30,- DM vor.
„Das kann ja nicht sein“, dachte Micha, und spazierte entschlossen zu seinem Lieblingsbeamten auf das Haupt- und Ordnungsamt, Herrn Motzenweich (Name vom Verfasser geändert). Nachdem Micha überschwenglich freundlich begrüßt worden war, schilderte er Herrn Motzenweich die Situation.
„Ja“, entgegnete der weit ausholend, „wenn Sie schon von der Stadt einen solchen Papierkrieg fordern, um eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten, dann müssen Sie die auch in ihr Auto legen.“
Micha erklärte, daß erstens nicht er, sondern die Stadt den Papierkrieg angezettelt habe und daß zweitens aus dem Schreiben nicht hervorgegangen sei, daß es ins Auto gelegt werden müsse, zumal die Stadt die Autonummern der betroffenen Wagen erhalten habe.
Herr Motzenweich billigte die Begründung, kopierte Micha das Schreiben für sein Auto, und entschuldigte sich vielmals.
„Dann kann ich die Sache nun als erledigt betrachten?“, fragte Micha.
„Natürlich nicht!“, sagte Motzenweich. „Zahlen müssen sie schon. Der Zahlungsbescheid geht auf alle Fälle raus, aber Sie können dagegen schriftlich Widerspruch einlegen.“
Halb schockiert, halb belustigt ließ Micha das Haupt- und Ordnungsamt hinter sich, ging zu seinem Wagen, um das Schreiben anzubringen und endlich heim zu seiner Familie zu fahren, und erblickte etwas, das weniger ruhige Gemüter zum Wahnsinn getrieben hätte: Strafzettel II.
Zum Wahnsinn aber läßt sich Micha nicht so leicht treiben. Daher war er allenfalls in Gedanken, als er seinen pummeligen Citroen aus der Tiefgarage steuerte, und sich, kurz nachdem er in den zweiten Gang geschaltet hatte, den Sicherheitsgurt anlegte.
Beschleunigen. Dritter Gang. Beschleunigen. Vierter Gang. Abbremsen. Polizeikontrolle.
„Der Kollege hat gesehen, daß Sie unangeschnallt gefahren sind!“
Strafzettel III.
Da Micha – ein Unglück kommt selten allein – natürlich just an diesem Tag seinen Führerschein auf der Garderobe hatte liegen lassen, mußte er nochmal zahlen, konnte daheim nur kurz „Komme gleich wieder!“ sagen, denn er mußte noch zur Wache und seinen Lappen vorzeigen.
Jetzt wird man gleich einwenden: So viel Tragik auf einmal, das kann nur in einer Satire vorkommen, und dazu noch in einer schlechten. Doch ich schreibe hier keine Satire, sondern einen Bericht. Ich finde es ganz und gar nicht komisch (aber ich kann auch nichts dafür), daß Micha – zu diesem Zeitpunkt schon runter mit den Nerven – auf dem Weg zur Wache mit 61 km/h in den Ort gerauscht kam und dafür Strafzettel IV einstrich.
Nachdem er auf der Wache gewesen war, ging mit Micha etwas vor sich, daß man sich nur vorstellen kann, wenn man diese schlechten Filme mit Court Douglas kennt: Er paßte sich dem Milieu an, in welches ihn die Freunde und Helfer ohnehin stecken wollten.
Es war schon Dunkel, als Micha seinen Wagen erneut startete. Ein anderes Fahrzeug kam in die Tiefgarage gefahren, schien Micha absichtlich zu blenden, und rauschte risikovoll knapp an seiner Stoßstange vorbei um die Kurve. Micha versuchte wie gesagt, sich dem Milieu anzupassen, und zeigte den Insassen des Wagens den Finger, der Effe seinerzeit um die WM-Blamage gebracht hatte. Der Wagen hielt an, und aus stiegen – die Männer in Grün. Strafzettel V wegen Beamtenbeleidigung blieb Micha erspart. Einzige Strafe: Totalfilz.
Zu guter Letzt, wohl als pädagogische Maßnahme, mußte Micha erneut auf die Wache zur Personalaufnahme. Als ob sie ihn nicht schon lange gekannt hätten...
Micha verließ einmal mehr die Wache, trottete einmal mehr zur Tiefgarage zurück, und fand ausnahmsweise keinen Strafzettel vor. Aber auch keinen Wagen.
Zum dritten Mal an diesem Tag erklomm Micha die Treppen zur Polizeiwache, diesmal um sein Auto gestohlen zu melden.
„Können wir nicht aufnehmen – Kann ja jeder behaupten!“
„Aber hören Sie –“
„Wir haben schon Feierabend.“
„Im Ernst –“
„Dann gehen Sie nach Ehingen!“
„Wie soll ich da hinkommen?“
„Mit den Auto.“
„Ich hab keins mehr!“
„Dann laufen Sie.“
„Jetzt reicht’s! Wo kann ich mich über Sie beschweren?“
„Wenn Sie wollen: bei Herrn Motzenweich...“