www.albrecht-reuss.de | Stand: 08.12.2008 | Impressum
Ich habe immer an mich geglaubt. Ich habe immer geglaubt,
Hausmann zu sein sei nicht schwer, im Gegenteil, Hausmann sein zu können
bei Bedarf gehöre zum natürlichen Repertoir eines aufgeschlossenen
Softies. Doch inzwischen musste ich feststellen, dass Hausmann zu sein
entscheidend mit Hausarbeit zu tun hat. Und damit beginnen die Schwierigkeiten.
Hausarbeit ist im Grunde wie Auto fahren. Man sollte
immer vorausschauend handeln, nicht trödeln und keine anderen Dinge
nebenher tun. Nun, hier zeigt sich das Dilemma: Jeder Softie möchte
gerne Hausmann sein. Jeder Softie hasst aber Autos. Ergo: Softies verhalten
sich im Haushalt wie Anfänger im Straßenverkehr.
Meine Vorbereitung aufs selbstständige Leben im
Studium bestand darin, dass ich mir Mitte des fünfzehnten Lebensjahres
eine Fünf-Minuten-Terrine zubereitete, als Mama und Papa sich keinen
Babysitter mehr leisten konnten oder ich keinen mehr akzeptierte oder wie
auch immer.
Ich war nicht vorausschauend. Denn als Mama und Papa
noch zugegen waren, sagte ich immer nur: „Ja, ich kann das schon.“
Stattdessen trödelte ich – so lange, bis der Döner-Stand
um die Ecke geschlossen hatte und ich nicht mehr ums eigenständige
„Kochen“ herumkam.
Andere Dinge nebenher tat ich in diesem Fall nicht, da
eine Fünf-Minuten-Terrine unter normalen Umständen die Eigenschaft
besitzt, nur fünf Minuten wertvoller Zeit zu kosten. Und das reicht
nichtmal zum Zeitung lesen.
Doch diese spezielle Fünf-Minuten-Terrine fraß
etwas mehr als fünf Minuten meines Lebens, was daran gelegen haben
konnte, dass ich mangels Alternative beschloss, die Suppe mit dem Tauchsieder
warm zu machen, wie es einst die Oma mit dem Most aus dem kalten Keller
gemacht hatte. Was hätte ich auch anderes tun sollen? Etwa das Plastikgefäß
auf der heißen Herdplatte zerschmelzen lassen? So dass am Ende die
ganze Terrine den Küchenboden tränkt?
Stattdessen erhitzte ich das Plastikgefäß
von innen, bis es am Ende zerschmolz und die ganze Terrine den Küchenboden
tränkte. Ich kehrte den Schaden beiseite, steckte den Tauchsieder
wieder in den Schrank, stellte mich lange und tapfer satt und hoffte, keiner
würde je Notiz davon nehmen. Die Chance wäre da gewesen. Doch
dazu hätte es etwas mehr Sorgfalt in der Spurenbeseitung bedurft.
Essensreste im Küchenbesen und schwarze Krusten um Tauchsiederspiralen
ließen Mutteraugen kritisch werden, und das Ende der Geschichte ist,
dass, wo immer ich auch hin komme, mein Ruf als „Hausmann à la Carte“
bestimmt schon da ist.
Das hat auch seine Vorteile.
Schließlich habe ich es diesem Ruf zu verdanken,
dass sich meine beste Wohnheimfreundin Irmela seit dem Tag meines
Einzugs rührend um mich kümmert, meine Wäsche wäscht
und bügelt, meine Pflanzen aufpäppelt, meine Einkäufe erledigt,
mich bekocht und berät, wenn es ums Einkleiden geht, ja, eigentlich
meinen kompletten Haushalt managt, bis aufs Rasieren, doch, da bin ich
eigen. Es ist nicht so, dass mir diese Situation zu schaffen machen würde.
Im Gegenteil: Ich fühle mich geborgen und behütet. Nur keimt
in mir ab und an der Wille, das Softie-Hausmann-Paradoxon zu kippen, und
so halte ich mir heimlich einige Lebensmittel in den hinteren Regionen
des Schrankes, so dass sie Irmela nicht findet, und koche mir regelmäßig
unbemerkt warme Speisen, variantenreich wie im Lokal, etwa Spagetti ohne
Soße, Spagetti mit kalter Soße, Spagetti mit eingebrannter
Soße, Spagettisuppe mit viel Soße, Soße ohne Spagetti,
kalte Soße ohne Spagetti, eingebrannte Soße ohne – ja, natürlich,
alles aufzuzählen würde den Rahmen hier sprengen. Also, wie gesagt,
das koche ich mir ab und zu, bevor ich es dann wegwerfe und zu Irmela zum
Essen gehe. Mir geht es ja weniger ums Essen. Essen ist trivial. Mir geht
es ums Kochen. Kochen ist Kunst.
Dass dem so ist, musste ich neulich auch meinem Damenbesuch
klar machen, da die Soße zu den Spagetti sich in einem Sprenkelmuster
auf meiner Hose niedergelassen hatte. Das wiederum deshalb, weil der Schrank
nahe der Herdplatte offen stand, was daher kam, dass ich dabei war, mir
die inzwischen gesprenkelte Hose für einen Ball auszusuchen. Der sollte
im Übrigen an selbigem Abend sein, daher auch der Damenbesuch, und
der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass wir in zwanzig Minuten
los wollten.
Die Spagetti mit im Zimmer verteilter Soße mussten
ausnahmsweise etwas zügiger gegessen werden als sonst. Doch die entscheidenden
Szenen spielten sich ohnehin abseits des Essenstisches ab. Stichwort: Nie
andere Dinge nebenher tun!
Irmela und dem Himmel sei‘s gedankt, dass meine beste
Wohnheimfreundin beim Essen hereingeplatzt kam, fragte, was ich denn anziehen
wolle, mich auslachte und mir einige Tipps gab, daraufhin meinen halben
Kleiderschrank mitnahm, um ihn eben noch zu bügeln. An solche Dinge,
wie vorausschauend, hätte ich natürlich niemals gedacht. Aber
jetzt, wo das Thema „Bügeln“ im Raum stand, dachte ich, oh, die Sprenkel
auf der Hose passen nicht zum weinroten Jacket, womöglich muss ich
eine andere Hose anziehen. Ich nahm meine Zweit-Hose aus dem Schrank und
stellte fest, dass sie völlig zerknittert war. Folglich begann ich
mich bei meinem Damenbesuch für meinen Aufzug zu entschuldigen. Der
aber dachte pragmatischer: „Wie wär‘s mit bügeln?“
Klar, bügeln, dachte ich und wünschte mich
tot, nahm softiehaft gelassen das Bügeleisen aus dem Schrank, legte
meine Hose auf den Schreibtisch und zerstörte sie. In Ermangelung
einer Dritt-Hose hakte ich den Abend ab und wollte meinen Damenbesuch nach
Hause schicken. Doch Irmela brachte nur Sekunden später neben den
gebügelten Hemden zufällig eine frisch genähte Hose vorbei,
gebügelt und sauber. Wir hatten einen wundervollen Abend.
Die Bilanz: ein wundervoller Abend gegen eine Weltanschauung.
Denn eines kränkte meine Softie-Seele zutiefst: Aufgrund meiner besten
Wohnheimfreundin Künste hatte mein Äußeres an diesem Abend
über-raschenderweise etwas Männliches, so dass mein Damenbesuch
meinen softiespezifischen Werten die Basis nahm, mit den lapidaren Worten:
„Du siehst aber heute gut aus.“
Dabei würde ich doch viel lieber kochen können.
Wie ich die Frauen beneide. Die sehen alle gut aus. Und können trotzdem
kochen.