www.albrecht-reuss.de | Stand: 12.12.2008 | Impressum
Tief drunten am Fuße der Schwäbischen Alb gab
es einmal eine blühende kleine Stadt. Die Leute dort verschmähten
die Demokratie und kürten den aufstrebenden Georgius zum alleinigen
Herrscher. Und König Georgius brachte das Städtchen zum Blühen.
Zahllose Reisende brachten Unmengen an Geld in die Stadt. Daher konnte
König Georgius es sich leisten, sich Denkmäler zu setzen. Etwa
durch elegante Brücken, die nie befahren wurden, oder durch prunkvolle
Mehrzweckhallen, die nicht einmal einen Zweck erfüllten, oder durch
pompöse Brunnen, die die malerischen Gassen des Städtchens versperrten.
Er konnte es sich sogar leisten, alle Straßen, die neu gebaut wurden,
zur Sicherheit gleich zweimal bauen zu lassen, damit sie auch ganz gewiß
hielten.
Die Bürger der Stadt aber waren reich und zufrieden
und priesen ihren König. Doch dann kam eine Krise übers Land
und durch ein paar widrige Umstände ganz besonders über das Städtchen
am Fuße der Schwäbischen Alb. König Georgius war über
Nacht pleite. Nein, er war nicht nur pleite, er war über beide Ohren
verschuldet.
Georgius überlegte, wer wohl daran schuld sein konnte,
daß das gesamte Geld verschwunden war. Und er kam zu dem einfachen
Schluß: Das Volk war schuld. Daher begann er, das Volk zu bestrafen.
Er entfernte die Abfalleimer von den Straßen, schaltete die Straßenlaternen
ab, entfernte sämtliche Blumen aus dem Ort, versperrte Wege, schloß
Bäder und Museen und strich den Schülern den Kaffee fürs
Abitur. Ein Aufschrei ging durchs Volk, denn es fühlte sich zu unrecht
gezüchtigt. Nach zwei Tagen fügte das Volk sich in sein Schicksal.
König Georgius hatte gesagt, daß es beim Sparen keine Tabus
geben dürfe.
Gespart wurde natürlich kein Pfennig, denn die Gelder,
die der Hof durch das Streichen des Kaffees hereinbekam, wurden durch Nachzahlungen
für frühere Baudenkmäler lang wieder aufgefressen. Das Volk
aber verspürte Reue für sein zwei Tage dauerndes Mißtrauen
gegenüber dem König und trug von nun an tapfer seinen Müll
wieder nach Hause.
Und hier beginnt die Geschichte des Polizeihauptwachtmeisters
Bernhard – ein tüchtiger und erfolgreicher Beamter, der das Volk beschützte
und hoch angesehen war. Er schrieb an den König einen Brief und fragte,
ob es auch noch andere Möglichkeiten gebe, außer daß das
Volk an der Misere allein Schuld sei. Denn Bernhard war es als Polizist
gewohnt, alle nur denkbaren Überlegungen zu überlegen.
Das Volk war diesmal noch mehr entrüstet. Wie konnte
ein so hoch angesehener Mann so etwas denken? Und wie konnte er es wagen,
dies auch noch dem König zu schreiben? Wie ein Lauffeuer verbreitete
sich die Nachricht durch die Stadt. Die Leute machten forthin einen Bogen
um den Polizeihauptwachtmeister, schickten ihre Kinder in die Häuser,
wenn er vorbeifuhr, und beim Metzger bekam er wortlos das schlechteste
Stück Fleisch über den Tresen geschoben.
Der König schrieb einen bitterbösen Brief,
hieß den mutigen Bernhard einen Untreuen, einen Nestbeschmutzer,
einen Verräter, und die Stadt feierte ihren König, als wäre
er Olympiasieger geworden.
Doch auch der Unmut gegen Polizeihauptwachtmeister Bernhard
legte sich nach zwei Tagen. Man pries den König für seine Standfestigkeit
und verzieh Bernhard seinen Aussetzer und nahm voller Stolz Umwege in Kauf,
um die gesperrten Wege nicht zu betreten.
Und König Georgius gab für sein treues Volk
mit dem gesparten Geld ein großes Fest und sagte zum Volk: „Ihr sollt
euch freuen! Stellt euch nur vor, es wäre Demokratie. Dann müßte
jeder von euch mitdenken!“ Und die Bürger erhoben sich von den Plätzen
und spendeten lange Beifall.