Der Kontakt-Spray

Im Zeitalter des Versand- und Großhandels ist man nicht mehr darauf angewiesen, daß der Fachhändler am provinziellen Ort alles hat, was das Herz begehrt. Nein, im Zeitalter des Versand- und Großhandels bekommt man einfach alles. Die Frage ist nur: wann.
Ich wollte einen Kontakt-Spray haben – das ist ein Spray zum Reinigen von elektrischen Kontakten, der aus lahmgewordenen Computer-Joysticks wieder wieselflinke Apparate zum Frönen der Sucht macht.
An einem Samstag ging ich in das Elektronik-Waren-Geschäft und fragte nach einem solchen Spray. Die Bedienung verschwand in der Werkstatt und kam wieder mit einer riesigen Blechdose.
„Wir haben nur diese Flasche. Und die brauchen wir selber. Schauen Sie am Dienstag nochmal vorbei.“
Ich schaute am nächsten Samstag wieder vorbei, da man grundsätzlich ein paar Tage Knautschzone einrechnen muß, und fragte nach dem Spray. Die Bedienung schleppte sich in die Werkstatt und kam mit leeren Händen wieder.
„Wir haben keinen solchen Spray da. Aber der Chef kommt gleich. Der kennt sich da besser aus.“
Der Chef kam und kannte sich so gut aus, daß er mir vierundsechzig verschiedene Sorten des Wundermittels aufzählte und mich dann fragte, welches ich wollte. Ich wollte für keine Seite Partei ergreifen und wählte vertrauensvoll Nummer 32. Der Chef notierte sich das und sagte: „Wir bestellen ihn. Er kostet 14,95 DM. Sie können ihn am Dienstag abholen.“
Am nächsten Samstag ging ich wieder hin.
„Er ist noch nicht gekommen. Versuchen sie es am Dienstag wieder.“
Mit einer kaputten Glühbirne betrat ich das Geschäft am Samstag, ließ mir eine neue Glühbirne für 2,90 DM geben und erkundigte mich beiläufig nach dem Spray.
„Sie haben ihn wieder nicht geschickt. Normalerweise sind größere Flaschen gebräuchlich. Aber er kommt bestimmt. Am Dienstag müßte er da sein.“
Meine Mutter mutmaßte, der Chef des Geschäfts traue sich einfach nicht zu sagen, daß es ihm zu blöd sei, diesen dämlichen Reiniger zu bestellen. Ich aber dachte, den Laden überzeugen zu können, und nahm am nächsten Samstag eine Joe Cocker-CD für 32,50 DM mit. Der Spray war noch nicht gekommen. Am Samstag darauf verspürte ich Lust, mir eine Kaffee-Maschine anzuschaffen: 99,50 DM. Um nicht den Eindruck zu erwecken, ich wolle die Betreiber des Geschäfts mit diesem Kontaktmittel belästigen, kaufte ich am nächsten Samstag einen CD-Spieler für das Badezimmer - für günstige 299 Mark.
„Der Spray kann mit jeder Lieferung kommen“, versicherte man mir. Muß aber nicht.
In meiner Bleibe fühle ich mich inzwischen richtig wohl. Ich habe zwei Fernseher, einen kleinen (1222 DM plus ein Eis zu 3 DM auf dem Rückweg) und einen mit Breibildschirm für Spielfilme (2999 DM). Der Rasierapparat funktioniert ausgezeichnet (139,90 DM), und auch mit der Mikrowelle (800 DM), dem Staubsauger (999 DM), der Hifi-Dolby-Stereo-Anlage mit Aufnahme-Funktion (2499 DM), dem Computer-Set (4335 DM) und dem Dreifach-Stecker (3,99 DM) bin ich sehr zufrieden.
Nach vierzehn Samstagen und 13432,79 DM hatte ich das Geschäft schließlich davon überzeugt, daß ich ein treuer Kunde bin, dem man auch einmal einen kleinen Gefallen tun kann, indem man ihm eine winzige Dose mit Kontakt-Spray zum Reparieren von Joysticks besorgt.
An dem Tag, an dem der wunderwirkende Spray geliefert worden war, nahm ich mir als letztes Dankeschön und zur Sicherheit, falls es mit dem Joystick-Heilen doch nicht klappen sollte, einen neuen Joystick mit. Er kostete 3,90 DM.