www.albrecht-reuss.de | Stand: 12.12.2008 | Impressum
Menschen tun sich häufig etwas schwer, sich über
die Lie– na, also über Beziehungen so zwischen na, ich meine, so zu
reden halt drüber. Da gibt es progressive, die können das, so
wie ich, und da gibt es nicht ganz so progressive, die müssen sich
dann immer mit so Synonymen aushelfen, nein, das hat nichts mit Viagra
zu tun, das ist Germanistik, nein, auch Germanistik ist keine Krankheit,
sondern die Wissenschaft unserer Sprache. Nein, ich habe auch nicht gesagt,
daß unsere Sprache eine Krankheit ist.
Wie gesagt, diese manchen Leute gebrauchen also Synonyme,
wenn sie über ihre Probleme in der Lie– na, ich sag mal einfach, wenn
sie über Probleme in ihrer –, genau: Wohngemeinschaft! reden wollen.
Also nur mal angenommen, ein M–, ein M–, also ein M-M-M-Maulbeerfeigenbaum
und eine F-F-Fritöse – sagen wir mal, nur angenommen also – gehen
also, also eine Wohngemeinschaft ein. Ja?
Weil also nämlich, weil sie halt, na ja, beide gerne
mal so in einer Wohngemeinschaft halt, sie hatten also beide halt gerade
keine und dachten so, okay, laß uns doch mal so ein bißchen
eine Wohngemeinschaft so halt, ja, machen halt.
Nur, die Fritöse, die wußte halt nie so genau
halt, nun ja, ob sie den Maulbeerfeigenbaum, na, halt sozusagen –wohnlich
fand, verstehst du? Oder ob sie nicht lieber einen Birnbaum in ihrer
Wohngemeinschaft haben wollte halt, sag ich jetzt mal einfach so. Deshalb
wußte die Fritöse halt nie, wie gesagt, und manchmal ließ
sie den Maulbeerfeigenbaum in das warme Wohnzimmer in der Wohngemeinschaft
– aber nicht falsch verstehen! – und manchmal mußte er draußen
im Treppenhaus stehen bleiben.
Und aber halt ob sie ihn reinließ oder nicht, es
war halt immer ein Maulbeerfeigenbaum und er verwandelte sich halt nie
so simsalabim zauber-zauber in einen Birnbaum, tat er halt nicht, konnt’
er vielleicht auch nichts dafür.
Die Fritöse – könnt ihr noch folgen? – versuchte
dann eben, ob sie den M-Maulbeerfeigenbaum nicht irgendwie mit der Zeit
in einen Birnbaum verwandeln konnte, und der Maulbeerfeigenbaum gab sich
auch ganz ganz große Mühe, weil es ihm halt im Wohnzimmer –
aber bitte nicht lachen! – also halt so gut gefiel, deshalb wand er sich
und rankte sich und versuchte ein Birnbaum zu sein, und er fand es auch
nicht schlimm, daß er ächzte und krachte und er Äste verlor,
weil er dachte, wenn er sich ganz doll mühte, ein Birnbaum zu sein,
dann durfte er halt, so dachte er, mit in die Wohngemeinschaft zur Fritöse.
Ich mein’, hat er auch recht gehabt damit, weil doch
die Fritöse den Maulbeerfeigenbaum gemoch-gemoch– also gern in ihrer
Wohngemeinschaft gehabt hat, weil sie doch dachte, er gibt sich doch solche
Mühe und wird bestimmt mal ein wunderbarer Birnbaum.
Ja, und so haben die sich halt ganz gut vertragen in
ihrer Wohngemeinschaft und haben da ganz lang ganz gut gelebt halt so,
ja, und der Maulbeerfeigenbaum wurde immer mehr zum Birnbaum. Und als er
schon fast seine erste Birne bekam, also jetzt voll symbolisch, auf abstrakter
Ebene halt, sinnbildlich heißt das wohl, na, auf jeden Fall mußte
der Birnbaum dann ganz weit weg für eine Weile, sagen wir, sagen wir,
er mußte bei einer Plantage aushelfen, weil da Bäume fehlten
halt, nur mal so angenommen natürlich.
Ja, wie soll ich sagen, und als er eben da dann wieder
zurückkam von der Plantage, ja, da hatte die Fritöse sich halt
auch verändert, einfach so, und war jetzt plötzlich eine Spülmaschine,
so mir nichts dir nichts, völlig unbegreiflich, aber war halt so,
und so als Spülmaschine, voll stolz halt, wollte sie keinen Birnbaum
mehr, sondern eine Kastanie, ja, eine große, weite Kastanie sollte
es ein mit großen Blättern.
War der Birnbaum halt nicht. Was sollte er auch machen?
Na, auf jeden Fall sagte dann die Spülmaschine: „Hey, ich hab dich
doch gern in meiner Wohngemeinschaft gehabt. Aber wir stecken voll fest!
Du veränderst dich gar nicht, du bleibst immer ein doofer, einfallsloser,
trampeliger Birnbaum! Ich versteh das gar nicht! Ich habe noch nie etwas
für – iih – Birnbäume empfunden. Birnbäume sind altmodisch,
überkommen, out, einfach Abschaum, Dreck, das Letzte, mit denen kann
man sich doch nirgends mehr zeigen. Geh mir aus den Augen! Laß uns
doch einfach beste Freunde sein.“
Tja, jetzt werde ich ganz ruhig, so wie halt der arme
Birnbaum ganz ruhig geworden ist und vor lauter Verwirrung gar nicht mehr
wußte, ob er Birnbaum oder Abschaum war und was er eigentlich sein
wollte. Und er konnte auch nicht begreifen, daß das Wohnzimmer wieder
Tabu war und das Treppenhaus seine neue Heimat. Aber was soll man machen?
So als Birnbaum, meine ich. Kastanie müßte man halt sein!
Na ja, dachte er so, und deshalb versuchte er wohl, Birnbaum,
Kastanie und Maulbeerfeigenbaum gleichzeitig zu sein, um irgendwann mal
wieder in eine Wohngemeinschaft zu kommen, aber er sah dann halt irgendwie
alt und knorrig und unheimlich aus so als drei Bäume auf einmal, daß
er wohl nie mehr auch nur ein Nudelholz fand zum Wohngemeinschaft aufmachen.
Armer ehemaliger Maulbeerfeidenbaum! Hätte er nur
so aufgeklärt über seine Probleme sprechen können wie ich!
Dann hätte man ihm vielleicht helfen können.