www.albrecht-reuss.de | Stand: 12.12.2008 | Impressum
Zum Sport gehört, daß man sich mit anderen
messen kann. Daher gibt es übers Jahr verstreut verschiedene Turniere
für Freizeitmannschaften, damit die ihren großen Vorbildern
nacheifern können. Die zweite Disziplin ist das Fußballspielen.
Die erste und weitaus schwerere ist, sich anzumelden.
„Zur Anmeldung genügt es, das Startgeld zu überweisen
und den Mannschaftsnamen und die Anschrift anzugeben, damit wir euch den
Spielplan zuschicken können,“ heißt es verlockend auf der Einladung.
Also überweise ich das Startgeld in Höhe von 60 DM, damit wir
nach dem Turnier stolz einen Pokal im Wert von 60 DM mit nach Hause nehmen
können (egal welchen Platz wir erreichen), und gebe unter „Verwendungszweck“
unseren Mannschaftsnamen „Kicken wie Gott in Kuba“ (eine weitere Disziplin
ist: Wer hat den sinnlosesten Namen?) und meine Anschrift an.
Dann warte ich gespannt auf den Spielplan. Dann warte
ich nervös auf den Spielplan. Schließlich warte ich genervt
auf den Spielplan. Vier Tage vor dem Turnier rufe ich den Organisator an,
um mich nach dem Plan zu erkundigen. Mustafa heißt er. Ich erreiche
ihn nicht. Im Laufe des Abends versuche ich es noch ein paar Mal und habe
keinen Erfolg. Drei Tage vor Turnierbeginn rufe ich Mustafa dreiundzwanzig
Mal an und erreiche ihn nicht. Meine Spieler wollen wissen, wann das Turnier
beginne, und ziehen sich, nachdem ich ihnen nichts sagen kann, nach und
nach aus dem Team zurück.
Den zweitletzten Tag vor dem Turnier verbringe ich mit
einer Decke und einer Kanne Tee vor dem Telefon und rufe Mustafa im Zwei-Minuten-Takt
an. Ich erreiche ihn nicht. Zweimal ist belegt. Es könnte ja sein,
daß er eine riesige Wohnung hat und nicht so schnell zum Telefon
kommt. Oder hat er Kinder, die ständig das Läuten leise stellen,
aus purer Langeweile. Oder hält er einen Anruf erst für wichtig,
wenn man es zehn Mal klingeln läßt. Also lasse ich es fünf
Minuten klingeln. Er geht nicht ran.
Das Problem in unserer hochtechnisierten Welt ist, daß
die Banken den „Verwendungszweck“ ihrer Überweisungen gerne etwas
kürzen – aus „technischen“ Gründen (Warum auch sonst?). Also
könnte Mustafa meine Anschrift nicht bekommen haben. Aber warum geht
er nicht ans Telefon? Ist er zwei Tage vor dem Turnier im Urlaub? Daß
das Turnier ein gemeiner Trick sein könnte, um harmlosen Sportfreunden
60 DM aus der Tasche zu klauen, wage ich als aufgeschlossener Mensch nicht
zu denken. Schließlich ist Mustafa Türke.
Ist nur die Nummer falsch? Im Telefonbuch finde ich Mustafas
Name nicht.
Ich der Nacht kann ich nicht schlafen, weil mir das Tuten
des Telefons nicht mehr aus den Ohren geht.
Am letzten Tag vor dem Turnier ziehe ich alle Register.
Ich rufe meinen Freund Elias an, um mich nach der Nummer eines entfernten
Bekannten zu erkundigen, welcher mir vielleicht weiterhelfen kann. Ich
erreiche ihn nicht. Nicht so schlimm. Ich rufe eben meinen Freund René
an, da er diese Nummer auch haben müßte. Er ist nicht daheim.
Unbeeindruckt rufe ich das Café Max an, da ich noch weiß,
daß besagter entfernter Bekannter mit einer Mannschaft dieses Cafés
an dem Turnier teilnehmen möchte. Aber keiner geht ran.
Jetzt will ich es aber wissen. Ich setze mich ins Auto
und fahre in das eine halbe Stunde entfernte Dorf, in dem Mustafa wohnt.
Ich finde schließlich sein Haus hinter der Kirche und klingle. Er
macht auf und sagt: „Gerade habe ich bei dir zu Hause angerufen und deiner
Mutter alles gesagt.“
Ich amüsiere mich darüber, was das Leben für
Geschichten schreibt (wenngleich manche Rätsel bleiben) und stelle
fest, daß ich inzwischen keine Spieler mehr für die Mannschaft
habe. Sie hatten genug von dem Theater und sind abgesprungen.
Den Pokal nehme ich mit und stelle ihn zu den vielen
anderen 60 DM-Trophäen. Stolz werde ich meinen Kindern einmal erzählen:
„Ich habe sie mir verdient! Ich habe meine Mannschaft angemeldet.“