www.albrecht-reuss.de | Stand: 12.12.2008 | Impressum
Manchmal, so ist alt bekannt, ist es besser, etwas nicht
zu tun als etwas zu tun. Etwa Leute ausrauben, Sex vor der Ehe, Bügeleisen
anfassen, wichtige Tore schießen.
Ja, genau, wichtige Tore schießen. Manchmal ist
es besser, man läßt es.
Das ist nämlich genau der Grund, warum ich Bösel
für den Friedensnobelpreis vorschlagen möchte. Mir ist dabei
voll bewußt, daß ich weder Noobel noch Nobell heiße noch
Schwede bin geschweigedenn Schwedisch spreche noch berühmt bin noch
bedeutend noch viel gelesen noch einflußvoll noch Bundespräsident
oder wenigstens bei der CSU. Deshalb möchte ich dieses bescheidene
Schreiben dazu verwenden, um Bösel für den Friedensnobelpreis
vorzuschlagen. Vielleicht liest es ja mal wer. Vielleicht. Und vielleicht
kennt dieser eine dann sogar einen, der einen kennt, der einen kennt, der
einen kennt, der Schwedisch kann. Das wär ja schon mal was. Dann könnte
der das Schreiben übersetzen und dann liest es vielleicht ein Schwede
und der kennt dann... undsoweiter... Bundespräsident oder vielmehr
Königin Viktoria oder Beatrix oder oder – auf jeden Fall, man sieht,
man darf die Hoffnung nicht aufgeben.
Warum ich denn Bösel überhaupt für den
Friedensnobelpreis vorschlagen möchte? Ja, also das war so. Wir spielten
von unserem Studentenwohnheim aus mal wieder bei einem dieser berühmt
berüchtigten Freizeitturniere mit, bei denen sich gute und schlechte
Kicker munter treffen, saufen und sich prügeln, weil die schlechten
Kicker neidisch sind auf die guten und die guten ausnahmsweise mal keinen
Trainer hinter sich haben, der sie beim kleinsten Pieps respektive Faustschlag
auf die Tribüne verbannt.
Zu unserer Mannschaft gehörte auch Bösel, und
wir hatten uns tapfer bis ins Halbfinale durchgesoffen, wo wir dann wiedermal
auf eine gegnerische Mannschaft trafen. Die gegnerische Mannschaft führte
lange Zeit mit 1:0, ehe dann kurz vor Schluß folgendes passierte:
Bösel erkämpfte sich an der Bande den Ball, versetzte einen Gegner,
ging links außen vorbei, machte einen Haken nach innen, überschritt
dabei mit dem Ball am Fuß die Torauslinie, was alle außer dem
Hobbyschiedsrichter bemerkten, schoß den Ball an den kurzen Pfosten,
gelangte ein weiteres Mal an die Lederkugel, diesmal freistehend und unangegriffen
dreißig Zentimeter vor dem leeren Tor, holte aus, trat gegen den
Ball, nur leider so ungeschickt, daß der Ball eine physikalisch nicht
nachzuvollziehende Flugbahn erfand und in merkwürdigem Bogen um den
langen Pfosten eierte. Abstoß.
Helles Entsetzen in unserem Team. Miese Stimmung hinterher.
Aber alles nicht so schlimm. Denn hätte Bösel den Ball nur einen
Tick sinnvoller getroffen, es hätte 1:1 gestanden, die gegnerischen
Spieler hätten den Schiedsrichter beschimpft, die gegnerische Zehn
hätte den Schiedsrichter so sehr beschimpft, daß sie eine Zeitstrafe
bekommen hätte, das hätte sich die gegnerische Zehn nicht bieten
lassen und hätte dem Schiedsrichter versucht, eine überzubraten,
was die anderen fünfzehn Mannschaften zu unterbinden versucht hätten,
indem sie sich auf die gegnerische Zehn gestürzt hätten, was
vermutlich dazu geführt hätte, daß bei dem Versuch von
etwa sechzig starken Fußballern, sich genau im selben Augenblick
auf einen einzigen halbstarken Fußballer zu stürzen, auch einzelne
Spieler der anderen Mannschaften zu Schaden gekommen wären, mit der
Folge, daß die Halle binnen Sekunden in ein heilloses chaotisches
gegenseitiges Überbraten und Übergebratenkriegen verwandelt worden
wäre.
Da fünf Dutzend besoffene Fußballer zwar treten
können, aber weniger gut überbraten, hätten sich die ersten
schon nach wenigen Augenblicken mit Stühlen ausgeholfen, um eine höhere
Treffsicherheit garantieren zu können. Diese Szene „Asterix und Obelix
in Ost-Westfalen“ wäre noch gar nicht das eigentliche Übel gewesen,
sondern nur der übliche gesellige Abschluß eines kleinen Freizeitturniers,
hätte nicht der überforderte Turnierdirektor die Polizei gerufen.
Die Polizei wäre dann auch gekommen, und zwar zum zweiten Mal an diesem
Tag, weil sie zuvor schon drei frotzelnde Teenager in Verwahrung genommen
hatte. Diese drei Teenager hätten dies aller Wahrscheinlichkeit nach
zum Anlaß genommen, das Weite zu suchen und die nächste Bank
zu überfallen. Das wäre ihnen nicht schwer gefallen, da die Bankangestellte
nicht gewußt hätte, wie sich zu wehren, da ihr vorgesetzter
gerade als überforderter Turnierdirektor im Einsatz gewesen wäre.
Deshalb hätten die drei Teenager sich problemlos nach Holland abgesetzt
und dort unter Drogeneinfluß von den Krawallen bei deutschen Hobbyturnieren
erzählt. Daraufhin hätten sämtliche holländischen Hooligans
gedacht, boah ey, in Deutschland geht der Bär ab, wären alle
zum nächsten Freundschaftsspiel von Twente Enschede nach Leverkusen
gefahren, hätten Leverkusen plattgemacht, was keinem aufgefallen wäre,
aber die UNO veranlaßt hätte, Fußballspiele nur noch zuzulassen,
wenn in jeder Mannschaft fünf Blauhelme mitwirkten, woraufhin Fifa-Boss
Sepp Blatter beleidigt den Fußball für nie erfunden erklärt
hätte, was einen einzigartigen revolutionären Sturmlauf aller
Fußballfans auf Holland ausgelöst hätte mit dem Ergebnis,
daß Holland abgestochen umgedreht und im Meer versenkt worden wäre.
Gut, Bösel hat nicht getroffen, wir sind ausgeschieden,
es ist nichts passiert. Aber aufgrund obiger Ausführungen finde ich,
daß Bösel einen außerordentlichen Beitrag zum europäischen
Einigungsprozeß beigetragen hat und den Friedensnobelpreis verdient
hätte.