www.albrecht-reuss.de | Stand: 12.12.2008 | Impressum
Hat mich doch jetzt ein Aachener (ich wiederhole: ein
Aachener!) öffentlich als verkappten Germanistik- oder Philosophie-Studenten
denunziert! Abgesehen davon, daß mein ehemaliger Deutsch-Lehrer mich
jüngst in der Heimat ansprach und fragte: „Was macht das Studium?
Du studierst doch Germanistik, oder?“, möchte ich diese Schmähung
doch gerne zurückweisen. Ganz einfach deshalb, weil sie faktisch falsch
ist.
Ein Germanistik-Student würde im Gegensatz zum Raumplaner
am letzten Wochenende des Semesters nie und nimmer (ich wiederhole erneut:
nie und nimmer!) im Schlafsack an der Uni verweilen, Tag und Nacht durcharbeiten,
bis er irgendwann zusammenbräche. Der Germanistikstudent würde
zu diesem Zeitpunkt bereits in Griechenland verweilen und sich auf seine
Hausarbeit konzentrieren, die er bis übernächste Weihnachten
noch zu schreiben hätte.
Aber grundsätzlich möchte ich mich nur ungern
auf das Terrain begeben, auf welchem man andere Studiengänge schlecht
macht, den eigenen ins Elitäre erhebt, sich mit Dreck bewirft und
verleumdet. Schließlich gehören wir Studierende doch irgendwie
alle zusammen. Auch die Primarstuflerinnen! Ach ja, weiß eigentlich
jemand, ob BWL und Jura überhaupt noch als Studiengang geführt
wird? Das aber nur am Rande, ich habe mal gehört, das könnte
man heutzutage nur noch als Wahlfach innerhalb einer Banklehre machen.
Aber ich will ja nichts zu Themen sagen, wo ich mich nicht auskenne.
–
Ach nein, gar nichts sagen ist dann doch ein bißchen
wenig.
Hab ich eigentlich schon erwähnt, daß die
Raumplaner inzwischen den höchsten wissenschaftlichen Abstraktionsgrad
erreicht haben? Es ist ja ein Gerücht, daß Raumplaner immer
nur im Kreis sitzen, mehr raten als diskutieren, irgendwann abstimmen,
den Mittelwert bilden und schließlich auf 0,2 kommen, ohne zu wissen,
was diese Zahl bedeutet, aber ausgehend davon den Strich auf dem Papier
leicht nach Westen verschieben, mit 0,2 begründen und für diesen
Tag genug gearbeitet haben. Nein, nein (Ich wiederhole: nein, nein!), wir
Raumplaner sind schon richtige Ingenieure. Weil nämlich zurück
zum Abstraktionsgrad, das ist mir neulich bewußt geworden, als ich
mal wieder zur Umweltschutzvorlesung vorbeischaute und an der Tafel folgenden
Aufschrieb entdeckte: Kreis – Pfeil – Quadrat. Schlicht, doch alles erfassend:
Kreis – Pfeil – Quadrat. Das geht ja direkt ins Philosophische (hätte
ich meine Einleitung gelesen, wüßte ich, daß ich das besser
nicht gesagt hätte), drückt das gesamte Dilemma der Gesellschaft
aus, alle Schwierigkeiten, mit denen Planung zu kämpfen hat, trifft
den Kern der Verhandlungstheorie, der Grundrißlehre und Systemtechnik
in einem, mit der Quadratur des Kreises ist dieses Schema sicher nur populärwissenschaftlich
zu umreißen, nein, es steckt viel mehr darin, eine Weltanschauung
ist geboren: Kreis – Pfeil – Quadrat.
Der Mathematiker würde wohl versuchen, diesen Sachverhalt
in a und b zu fassen, was in der Regel dazu führt, daß die Studentinnen
(die Studenten haben nach fünf Minuten aufgegeben) noch drei Stunden
nach der Vorlesung dasitzen und die neun vollgekritzelten Tafeln abzuschreiben
versuchen.
Alle anderen Ingenieure würden – da mit der Zeit
gehend – sich in den unterirdischen PC-Pools eingraben und ein Programm
drüber schreiben, aber die Formel für Kreis – Pfeil – Quadrat
würde sich nicht mit der Jahreszahl in der Uhr von Windows vertragen,
die Pädagogen würden dasselbe mit der Schriftart Wingdings erreichen,
aber über die Aussage desgleichen für immer im Dunkeln tappen,
die Wirtschaftler würden scheitern, weil man weder Kreis noch Pfeil
noch Quadrat in Dollars messen kann, nur wir (wir!), die Raumplaner, sind
uns sowohl der mythischen als auch der technischen Komponente von Kreis
– Pfeil – Quadrat bewußt, ja, Interdisziplinarität zahlt sich
aus, wir sind einfach die Größten, nicht nur unsere Parties,
ach, wie stolz dürfen wir sein, zu den Raumplanern zu zählen.
Mein Nachbar klärte mich dann darüber auf,
daß Kreis – Pfeil – Quadrat schlicht bedeute, daß es in Pisa
einen Park gibt, neben dem eine Tiefgarage gebaut wurde, und jetzt ist
der Park kaputt, weil die Tiefgarage ihm das Wasser abgegraben hat.
Oh.
Und ich hatte schon gedacht...
Vielleicht muß ich, um Kreis – Pfeil – Quadrat
zu verstehen, doch Philosophie studieren. Doch dann muß ich Kreis
– Pfeil – Quadrat auf 532 Seiten plus Anhang beschreiben, ohne daß
man einen Satz verstehen darf, und wenn ich das kann, dann kann ich auch
gleich Germanistik studieren. Ach Mist! Daß die Aachener immer Recht
haben müssen.