www.albrecht-reuss.de | Stand: 12.12.2008 | Impressum

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Saunageschäfte

Zwei Pfeiler moderner Lebensform mußten sich eines Tages bitter rächen. In diesem Fall waren es die Dogmen „Mann von Welt muß telefonisch erreichbar sein“ und „Mann von Welt schließt seine Geschäfte in der Sauna ab.“
Müde von der ersten Arbeitstunde des Tages, beschloß ich, mich eine Runde in der Sauna zu erholen. Neben einem kleinen, gelben Handtuch nahm ich immerhin mein Notebook mit, um geschäftliche Interaktionen vorzubereiten, und selbstverständlich mein Handy, um erreichbar zu sein. Wenn sich der Coup anbietet, muß man zuschnappen können.
Als verhängnisvoll erwies sich, daß mein Fitnessclub die Räume für Herren und Damen vertauscht hatte, ohne dies ausdrücklich auszuschildern. Folgerichtig setzte ich mich mit meinem kleinen, gelben Handtuch um die Hüfte in die falsche Kabine und schaltete dort mein Notebook ein.
Eben in diesem Augenblick betraten zwei junge Damen die Dampfbude und entschieden sich dafür, zu bleiben und darauf zu warten, daß der Eindringling, welcher ich war, verschwinde. Das machten sie mir sehr deutlich klar. Eben in diesem selben Augenblick klingelte mein Handy. Eben in diesem selben Augenblick realisierte ich auch, daß ich nicht mit Handy und Notebook und Handtuch die Kabine verlassen konnte, ohne eines von den Dreien zu verlieren.
Also blieb ich sitzen und meldete mich.
„Ach, Lisa! Du bist es! Hör zu, ich . . . Nein, natürlich darfst du mich jederzeit anrufen, aber im Moment . . . Ehrlich, Lisa . . . Hör mir doch bitte kurz zu, Lisa . . . Nein, du hast mir noch nicht erzählt, wie die Tomatencremesuppe noch mehr Aroma bekommt, aber ich will es . . . Liisaa . . . Liisaa. . . .“
Und in den folgenden zwölf Minuten holte ich in regelmäßigen Abständen kurz Luft, um zum Sprechen anzusetzen und ihr die Meinung zu sagen, aber ich kam nicht dazu. Schließlich wechselte sie von alleine das Thema.
„Wer kichert da im Hintergrund, Udo?“
Die Stimme war so eindringlich, daß sie nicht nur von mir zu hören war und somit das Kichern noch verstärkte.
„Natürlich bin ich im Büro, Lisa, wo denn sonst? Woher dann das Kichern kommt? Lisa, hast du noch nie . . . Natürlich nehme ich dich ernst . . . Ja, das tu ich doch. Du weißt doch, daß ich dich . . . Ich soll dir eine Liebeserklärung machen, auf der Stelle? Bitte, Lisa . . .“
Jetzt fing sie umgekehrt an, mir die Leviten zu lesen, und die Situation wurde peinlicher und peinlicher. Schließlich entschloß ich mich, die größtmögliche Peinlichkeit auf mich zu nehmen, um weiteren Peinlichkeiten zu entgehen. Mit einer Hand hielt ich weiterhin das Handy, mit der anderen sowohl das Notebook als auch das Handtuch vor dem Bauch zusammen. Das war nicht ganz einfach, und so tapste ich gebückt mit kleinen Schritten nach draußen. Leider war da nicht weniger los – mir blieb nur die Flucht auf die Veranda. Es war Anfang November.
„Ja, Lisa, ich bin noch dran . . . Doch, ich hab sehr wohl verstanden, daß ich ein Macho bin . . . Ich muß jetzt trotzdem . . . Nein, ich schlottere nicht . . . Du weißt doch: die Heizungssysteme in Hochhäusern . . . Nein, es gibt nichts wichtigeres, als mit Dir zu telefonieren . . . Ja, ich nehme mir heute abend frei . . . Ja, Du kriegst den Nerz, aber . . .“
Endlich war sie zufrieden. Ich konnte mich gar nicht mehr verabschieden, so schnell hatte sie aufgelegt. Mit letzten Kräften hatte ich die Krise noch einmal abgebogen. Ansprüche haben diese Frauen.
Ehe mir vollends Arme und Beine abfroren, machte ich mich auf den Weg zurück ins Haus. Ich würde mich schnell anziehen und wortlos verschwinden und die beiden Damen nie wiedersehen. Ein Glück.
Als ich mich eben umdrehen wollte, um ins Warme zurückzukehren, piepste das Handy erneut. Wartete jetzt das große Geschäft? Für das hätte ich sogar einen erfrorenen Zeh in Kauf genommen. Das große Geschäft allerdings war es nicht ganz.
„Gabi – du . . . ? In die Oper . . . ? Heute abend . . . ?“