www.albrecht-reuss.de | Stand: 12.12.2008 | Impressum

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Die Stehlampe

So ein Dortmunder Großstadtdschungel ist halt doch was anderes als so eine beschauliche kleine Blaubeurer Weltstadt. Im Großstadt gelten andere Gesetze. Da heißt es Aufpassen! Also: Schließ deine Tür zweimal ab, bevor du Duschen gehst, hüte dich des Nachts vor Ratten, und: Wirf niemals einen Kassenbon weg.
Ich Umwelt-Schwein kaufte mir jüngst eine Stehlampe mit 300 Watt und warf den Kassenbon weg. Was sollte an einer Stehlampe auch schon groß kaputt gehen? Ungefähr alles. Ich schaltete das Gerät ein, bestaunte es drei Tage, bis es kurz ziepte und für immer erlosch.
Klarer Fall: Birne durchgebrannt, dazu braucht es keinen Elektriker, dachte ich und stellte fest, dass das Ding gar keine Birne besaß, sondern nur eine inzwischen reichlich dunkle Leuchtstoffröhre. Wusste gar nicht, dass es so etwas gibt.
Na ja, dachte ich, eben nicht Birne, sondern Leuchtstoffröhre durchgebrannt, ist ja nicht so schlimm, schließlich war die Lampe ein Schnäppchen, lässt sich problemlos wechseln, musste nur kurz in die Stadt ins Kaufhaus und Ersatz besorgen. Unter „kurz“ möge sich der Leser künftig zehn Minuten Fußweg vor einer halbstündigen Straßenbahnfahrt vorstellen. Aber nein, ich will nicht jammern.
Schließlich klappte auch alles wunderbar, ich gab gar nicht sehr viel mehr Geld aus als für die ganze Lampe dereinst, ich setzte die Röhre fachmännisch ein, und immerhin: Es ziepte nicht. Allerdings wurde es auch nicht hell oder wenigstens warm.
Na ja, dachte ich stoisch, ist halt was anderes kaputt, die im Kaufhaus werden mir sagen, was, ich kaufe es, und alles wird gut. Ich fuhr kurz (!) in die Stadt ins Kaufhaus und bat um eine Ferndiagnose. Der Elektriker – ich war durchaus angetan, dass das Kaufhaus so etwas vorzuweisen hatte, wenn auch nach gediegener Wartezeit – der Elektriker fragte, ob die Sicherung kaputt sei.
„Woher soll ich das wissen?“
„Ja, dann bringen Sie sie mit.“
Ich lernte, was eine Sicherung ist, und fuhr anderntags kurz (!) in die Stadt ins Kaufhaus und zeigte sie vor.
„Kaputt.“
„Schön.“
Vielleicht eine etwas ungewöhnliche Antwort, doch sie lag in der berechtigten Hoffnung auf baldige Genesung begründet.
Der Elektriker verkaufte mir eine neue.
„Wenn die Lampe noch immer nicht tut, bringen Sie sie einfach ganz mit.“
Es ziepte wieder nicht. Doch es wurde auch wieder nicht hell. Ich lies die Lampe dennoch zu Hause, auch wenn es ein Autofahrer nicht nachvollziehen können wird, fuhr mit leeren Händen kurz (!) in die Stadt und vertraute lieber erneut auf eine Ferndiagnose.
„Der Transisitor. Es wird am Transistor liegen.“
Ich lernte, was ein Transistor ist, kaufte ihn und baute ihn ein. Nichts.
„Der Transformator, wahrscheinlich ist es der Transformator, die aus Fernost taugen nicht recht.“
Ich kaufte einen Transformator und machte mich mit ihm vertraut, fuhr kurz (!) wieder nach Hause, baute ihn ein und bemerkte keine Änderung.
„Der Stecker.“
Auch nicht.
„Das Kabel,“ sagte mir der Elektriker, nachdem ich kurz (!) in die Stadt gefahren war, „in solchen Fällen liegt es immer am Kabel! Glauben Sie mir!“
Das Kabel war lang und teuer, und ich musste reichlich viel schrauben, um es anzubringen. Der Effekt allerdings war zu vernachlässigen, ich musste wohl doch nochmal kurz (!) in die Stadt.
„Hmm.“
Ein einziges Mal war der Elektriker verlegen.
„Hmm, dann muss es ja am Gehäuse liegen. Ich habe ja selbst nicht dran geglaubt, aber wissen Sie, die Magnetfelder, Sie brauchen ein isoliertes Gehäuse.“
Dieses kostete richtig viel Geld, aber funkelte schön bläulich, was jedoch nichts dazu beitrug, dass die Lampe nun womöglich funktioniert hatte.
Nun endlich war der große Tag gekommen, da nichts mehr auszutauschen war an der Lampe, und so musste ich wohl oder übel diesmal doch die ganze, runderneuerte  Lampe in die Stadt schleppen, hübsch verpackt in einer Klapp-Kiste unter einer Decke, nur diesmal muss „kurz“ ergänzt werden durch die Tatsache, dass zeitgleich ein Fußballspiel stattfand, die Bahn also voll und langsam war und nebenbei noch eine Katze überfuhr.
Dennoch gelang es mir, meine Kiste bis ins Kaufhaus zu retten, in der Vorfreude auf die funkelnden Augen des Elektrikers, doch der tauchte nun nicht einmal nach der üblichen Wartezeit auf, sondern nur eine Dame, die sich im Jahrhundert geirrt hatte, aber offenbar hier arbeitete und in dieser Eigenschaft das Ende meiner Lampe einläutete.
„Nein, wir können das nicht anschauen.“
„Aber der Elektriker...“
„Wir haben keinen Elektriker.“
„Aber...“
„Ja, er ist vorgestern in Rente gegangen.“
„Aber die Lampe...“
„Wir haben niemanden, der sich darum kümmert.“
„Aber...“
„Haben Sie denn Ihren Kassenbon dabei?“
„Nein.“
„Hüten Sie sich des Nachts vor Ratten?“
„Nein.“
„Dann schließen Sie bitte wenigstens die Tür zweimal ab, bevor Sie Duschen gehen.“