www.albrecht-reuss.de | Stand: 12.12.2008 | Impressum
Weihnachten ist grotesk. Denn obwohl sich die Geschäfte alle
Mühe geben, die Leute schon in der Julihitze in weihnachtlich geschmückte
Sonder-Abteilungen zu lotsen, stürzt sich das Volk erst pünktlich
zum ersten Advent in den kollektiven Kaufrausch. Man kann sich ja im Dezember
nicht mehr auf die Straße trauen, wenn einem Leib und Leben lieb ist.
Ich habe daraus meine Konsequenzen gezogen.
Ich bleibe zu Hause. Dezember kriegt mich keiner mehr raus.
Ich nehme mir vorsorglich drei Wochen Urlaub, sage kategorisch sämtliche
Weihnachtsfeiern ab, die vor dem heiligen Datum stattfinden, kaufe reichlich
Dosennahrung und richte es mir in den eigenen vier Wänden gemütlich
ein.
Selbstverständlich habe ich bereits alle meine Geschenke
beisammen. Ich kaufe die mittlerweile auf Vorrat, denn Weihnachten kommt
ja beständig wieder. Es ist auch meist günstiger, in großen
Mengen einzukaufen. Außerdem schlage ich vornehmlich schon im Winterschlussverkauf
zu – schließlich kann man gerade an Weihnachten winterliche Sachen
immer brauchen. Die Geschenke sind also das kleinste Problem.
Mit dem Essen ist es schon schwieriger. Frische Sachen, die
in drei Wochen noch frisch sind, sind schwer zu bekommen. Und denen bei Lidl
traue ich nicht. Dosennahrung ist aber für Weihnachten selbst doch irgendwie
unangemessen. Dazu kommt, dass man Weihnachten selbst eigentlich Weihnachten
genießen möchte und nicht nur ans Kochen denken. Was also tun?
Ich habe mich dazu entschieden, das Weihnachtsessen komplett vorzubereiten
und dann Braten, Vorspeise, Salat und Dessert einfach einzufrieren. Das war
früher. Inzwischen bin ich auch die Auftauerei leid, denn bei meinen
beiden linken Händen droht immer die Gefahr über mir, ich könnte
den guten Braten im letzten Augenblick verderben.
Daher nehme ich mir Ende November zwei Wochen Zeit, bereite
alles ruhig und akribisch zu, richte im Wohnzimmer einen Tisch, serviere
das Essen, garniere die Teller und freue mich von da an ungetrübt auf
ein wundervolles Weihnachts-Menü.
Es ist naheliegend, dass ich dann natürlich den Baum schon
stehen haben sollte, denn Nadeln im Essen zerstören jede Romantik. Man
kennt das vom Fisch.
Ich gebe zu, dass meine Weihnachtsvorbereitungen mittlerweile
einen Stand der Perfektion erreicht haben, den manche als „übertrieben“
bezeichnen wollen, doch mir liegt nun einmal daran, das Fest des Friedens
in der ihm gebührenden Ruhe begehen zu können. Der Advent ist eine
Zeit der Stille, um dem Ereignis entgegenzusehen, und diese Stille möchte
ich durch nichts in der Welt gefährdet wissen.
Deshalb habe ich nun auch damit angefangen, mich persönlich
rechtzeitig fürs Fest zu richten. Ende September weiß ich üblicherweise,
was ich anziehen werde. Im Oktober kann ich es dann noch einmal gründlich
waschen. Nach dem anstrengenden und schmutzigen Kochen ist es dann pünktlich
zum ersten Advent so weit: Ich bringe die Wohnung auf Vordermann, ich nehme
ein ausgedehntes Bad, ich rasiere mich gründlich und werfe mich schließlich
in Schale.
Nun kann ich mich gänzlich und ausschließlich auf
den Advent konzentrieren.
Sie lachen vielleicht. Doch hat dieses Verhalten nicht nur organisatorische,
sondern gewiss auch religions-technische Vorteile. Denn bis es dann endlich
Weihnachten ist, gehöre ich vom Äußeren her bestimmt zu den
Leuten, zu denen der Heiland bei seiner Wiederkunft ganz sicher als erstes
kommen würde.